Über die Veranstaltung berichtete Lena Unterhalt in den WN am 13.02.2025:

SAERBECK „Das Menschenbild prägt politische Entscheidungen“, ist eine der Kernthesen von Dr. Johannes Sabel. Wenn es um die AfD geht, löst das bei Saerbeckerinnen und Saerbeckern Sorgen aus. Was suchen Wählerinnen und Wähler bei der Partei? Warum lassen sich die Parteien der politischen Mitte so sehr von der Fokussierung auf Migration mitreißen? Und wie diskutiert man, wenn Gefühle über Argumente dominieren? Fragen über Fragen für den Experten aus Münster.

Über 150 Menschen kamen, um sich die Ausführungen des Leiters der Akademie Franz Hitze Haus anzuhören: „Das Menschenbild der AfD – eine kritische Analyse.“ Und weil die Veranstalter des katholischen Bildungswerkes mit dem Andrang gerechnet hatten, wurde der Vortrag vorab in die Kirche St. Georg verlegt. Auch deren Bänke waren am Ende voll belegt mit Saerbeckern aller Altersklassen.

„Das Menschenbild muss aus den Stellungnahmen der AfD herausgefiltert werden“, sagte Sabel zu Beginn des Vortrages. Die Gefahr bestehe nämlich auch darin, dass man so manche Thesen der Partei vielleicht sogar in den Wahlprogrammen anderer Parteien lesen könnte. Wichtig sei darum, welches Verständnis von Gesellschaft, Kultur, Migration oder Familie hinter den Programmen der AfD stecke.

Dem Menschenbild der Alternative für Deutschland stellte Sabel das der katholischen Soziallehre entgegen. In diesem Spannungsfeld nahm er die Themen Kultur, Gesellschaft und Geschlechterrollen genauer unter die Lupe. Ein Beispiel: die „deutsche“ Kultur. „Es gibt keine reine Kultur“, so Sabel. Sie sei hochgradig hybrid, vielfältig und wandelbar. Die AfD hingegen sehe Kultur als statisch, homogen und „deutsch“ – was auch immer die Partei darunter verstehe.
Das Problem liege in der Abgrenzung. Denn auch der „deutsche Mensch“ sei nach Sicht der AfD statistisch, homogen, gleich – nicht individuell. Multikulturalität spalte nach Sicht der AfD die Gesellschaft, erklärte Sabel, unterstrich seine Argumente mit Zitaten von Björn Höcke oder Alexander Gauland. Migranten würden zur Erzeugung von Bedrohungsszenarien genutzt.

Höcke, so Sabel, sei zwar innerhalb der Partei selbst ein Extremfall. Letztlich verkörpere er aber nur eine Zuspitzung ihrer Grundhaltung: Exklusion über Inklusion, Leistung über Solidarität, Homogenität über Vielfalt.
Dass das Idealbild der katholischen Soziallehre auch in der Kirche selbst nicht völlig erreicht wird, gestand der Gast aus Münster selbstkritisch ein. Gerade was das Frauen- und Familienbild der AfD betrifft, fürchte sie sich vor einer Verfestigung in der Gesellschaft, sagte eine Zuhörerin. Zustimmung von Sabel. Der „Völkische Drive“ sei es letztlich, der die AfD von der katholischen Lehre unterscheide.

Der Austausch mit den Saerbeckerinnen und Saerbeckern zeigte: Sorge und Unverständnis sind groß – auch mit Blick auf die Parteien der demokratischen Mitte. Warum sich am Thema Migration verausgaben, anstatt an Missständen zu arbeiten? „Dem kann ich nur zustimmen“, sagte Sabel. Er verstehe die Belastung einzelner Kommunen durch die Migration. Gleichzeitig sehe er die Zahlen und den generellen Rückgang der Migration in Deutschland. Und: „Der Begriff ‚Zustrombegrenzungsgesetz‘ stammt nicht mal von der AfD.“

Die AfD, so Sabel, sei auf dem Kurs, normal zu werden. „Und das ist gefährlich.“ Es handle sich zwar um eine Partei ohne Hoffnung und Perspektive, dennoch setzten viele Menschen ihre Hoffnung in sie. „Nicht alle, die die AfD wählen, sind schlechte Menschen. Nicht alle sind dumm.“ Der Zustrom in Richtung rechts sei die Konsequenz einer zu großen Teilen hausgemachten Entwicklung – mit vielen Enttäuschten. „Der nächste Schritt wird sein, auf diese Enttäuschten wieder zuzugehen. Und wie man das macht, das wird die große Herausforderung unserer Gesellschaft.“