Werner Heckmann geht – nicht so ganz.
Anja Daut kommt – ist schon da.
Angekommen, wie es immer so schön heißt, ist Anja Daut schon lange: „Das hat sich hier in Saerbeck einfach alles sofort prima gefügt.“ Seit August ist die 48-Jährige Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Georg. Zum 1. März hat Münsters Bischof Dr. Felix Genn sie beauftragt, eine neue Leitungsform für die Pfarrei zu gestalten.
Diese Aufgabe übernimmt Anja Daut von Werner Heckmann, der nach 33 Jahren als Pastoralreferent in den Ruhestand geht. Als Pfarrverwalter ergänzt weiter Pater Hans-Michael Hürter das Leitungsduo.
Bereits nach den Sommerferien 2020 startete in Saerbeck die Projektphase für das neue Leitungsmodell. „Sie ist gut angelaufen“, betont Heckmann. Sicher auch, weil die Chemie zwischen Kirchenvorstand, Pfarreirat und dem Seelsorgeteam passe.
Um die Verwaltungsaufgaben, die sonst der leitende Pfarrer erledigt, habe sich größtenteils der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende gekümmert. „Das kann auf Dauer aber niemand ehrenamtlich leisten“, sind Anja Dauts Erfahrungen schon nach kurzer Zeit. Und deshalb wird zum 1. Februar eine Verwaltungsreferentin für Entlastung sorgen.
Trotzdem kann sie sich auch in Zukunft nicht über zu wenig Arbeit beklagen: „Vor den vielen Aufgaben habe ich schon Respekt. Schließlich ist eine ganze hauptamtliche Stelle weggefallen.“
Sie möchte die Menschen begleiten, denn „das ist gerade das Schöne an unserem Beruf: Mit Jung und Alt in Freud und Leid zu tun zu haben.“ Neu werden für sie der Beerdigungsdienst und die Notfallseelsorge sein.
Während Pfarrverwalter Hürter seelsorgerisch im Team der Lengericher Pfarrei Seliger Niels Stensen eingeplant bleibt, ist mit Pfarrer Ramesh Chopparapu ein Priester vor Ort, den die Gemeinde lange kennt und schätzt.
„Wenn es mit einer neuen Leitungsform klappen kann, dann hier“, zeigt sich Anja Daut optimistisch: „Ich habe den Eindruck, dass die Saerbecker froh über diese Lösung sind.“ Als sie im zurückliegenden Sommer einen Anruf aus Münster mit der Neuigkeit bekam, dass entgegen den bisherigen Planungen doch kein neuer Pfarrer in St. Georg eingesetzt werde, sei sie überrascht gewesen: „Aber irgendwie dachte ich sofort: Das kriegen wir schon hin.“
Viel gelernt für ihre neuen Aufgaben hat Anja Daut in Bocholt. 19 Jahre war sie dort in der Pfarrei, die den gleichen Namenspatron hat wie die Saerbecker.
Nach so langer Zeit wollte sie wieder etwas näher an die Heimat. Ihre Mutter lebt in Recke. Doch vorher nahm sich die 48-Jährige ein Sabbatjahr – um Abstand zu gewinnen und Kraft für Neues zu sammeln.
Fünf Wochen ging es für die naturbegeisterte Sportlerin auf die Clarahütte in Osttirol: „Da war ich Mädchen für alles. Putzen, Gäste bedienen, reden. Ich glaube, ich habe noch nie so viele seelsorgliche Gespräche in so kurzer Zeit geführt.” Gerne denkt sie daran zurück.
Anschließend machte sie eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin in Köln, vier Wochen auf der Intensivstation und in der Notaufnahme im Ibbenbürener Krankenhaus inklusive. Bei der Feuerwehr in Wesel fuhr sie danach 75 Einsätze mit.
Eigentlich sollte es noch für ein Hilfsprojekt nach Südafrika gehen – doch die Corona-Pandemie machte ihr einen Strich durch diesen Plan.
Vieles hat Anja Daut in ihrem Leben ausprobiert, ist Berge hinaufgekraxelt, mit dem Fallschirm gesprungen…
Besonders geprägt haben sie aber die zehntägigen „Exerzitien auf der Straße“ in Berlin.
Niemals zuvor sei ihr so bewusst geworden: „Gott ist überall. Ich muss nur offen für seine Zeichen sein.“ Diese Grundhaltung begleitet sie in Saerbeck und lässt sie nahe bei den Menschen sein.
So sehr sich Daut für ihre Aufgabe, eine neue Leitungsform verantwortlich zu gestalten, gerüstet sieht und dabei Rückenstärkung von der Bistumsleitung erfährt, auf Dauer wünscht sie sich mehr Klarheit bei den an einigen Stellen unscharfen Strukturen und Rollenbeschreibungen: „Wir probieren gerade aus, und es funktioniert, weil sich viele ehrenamtlich engagieren und Verantwortung übernehmen. Es stimmt menschlich, aber irgendwann müssen rechtliche Klärungen her.“
So sieht es auch Werner Heckmann. Die vergangenen Monate haben dem fast 63-Jährigen im Team so viel Freude gemacht, dass er mit noch mehr Wehmut in den Ruhestand geht – nicht ohne anzubieten, sich künftig ehrenamtlich weiter zu engagieren, wenn Anja Daut es möchte.
Sie möchte.
WN 2.2.21