Sonntagmorgen 5.30 Uhr. Die Vögel haben ihr Konzert längst angestimmt. Jetzt mischt sich der Wecker ein. So früh schon aufstehen und zu einer Marien-Wallfahrt starten?
Der Arbeitskreis „Glauben leben“ der Kolpingsfamilie hat die Wallfahrt-Aktion vorbereitet und zur traditionellen Pilgerfahrt mit dem Rad nach Telgte eingeladen. Was erwarten die Menschen, die sich zu so früher Stunde auf den Weg machen? Was motiviert sie, bei der Radwallfahrt dabei zu sein?
Also, etwas Proviant eingepackt und rauf aufs Rad. Den Reisesegen an der St. Georg-Pfarrkirche um 6 Uhr nicht verpassen. 25 Pilger sind schon da. Klara Leiting und Barbara Rosema-Tepe vom Vorbereitungsteam stimmen die früh „bewegten“ Teilnehmer auf den Tag ein. „Unsere Wallfahrt steht unter dem Leitwort Ankommen und Aufbrechen“, erklären sie.
Auf dem Weg sein. Darum soll es gehen in den nächsten Stunden. Die Gedanken sammeln, mit einem bekannten Marienlied auf den Lippen in die Pedale treten. Der Weg führt durch das nachtschlafende Dorf, dann durch Wald und Flur Richtung Schmedehausen.
Nach dem Regen ist die Luft frisch und duftet nach reifem Getreide. „So früh durch die Natur zu radeln. Darauf freue ich mich immer wieder“, schwärmt eine Teilnehmerin. Ein Radler, der sich erstmals der Wallfahrtsgruppe angeschlossen hat, ist beeindruckt von der besonderen Stimmung. „Dies ist keine einfache Radtour, sondern viel mehr“, sagt er.
Aufbrechen und neu ankommen – morgens um 7 an der kleinen Kirche in Schmedehausen. Die Jakobsmuschel neben dem geöffneten Portal zeigt: Das Gotteshaus zählt zu den Stationen des westfälischen Jakobs-Pilgerweges. Ein perfekter Ort, um sich nach der kleinen Andacht im Freien zu stärken für den weiteren Pilgerweg nach Telgte.
„Für mich ist die Wallfahrt ein wichtiges Stück Tradition, die ich seit meiner Kindheit kenne“, erzählt eine Teilnehmerin. „In unserer Familie gehörte das Pilgern nach Telgte – damals noch zu Fuß – immer schon zu den festen Ritualen. Meine Eltern und Großeltern hatten ganz festes Vertrauen, dass die Marien-Wallfahrt die Menschen stark macht, besonders wenn sie in Angst und Not sind.“
Interessante Gedanken, über die es sich lohnt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Weiter geht’s mit dem Rad Richtung Westbevern und ein Stück den Ems-Radweg entlang bis nach Telgte.
„Wie schön es hier ist“, schwärmt eine Teilnehmerin. die erstmals bei der Saerbecker Radwallfahrt dabei ist, aber die Pilgertradition gut kennt. „Ich bin in meiner Jugendzeit mit dem großen Osnabrücker Wallfahrtszug und mehreren Tausend Pilgern in Telgte eingezogen“, erinnert sie sich gut. „Jetzt bin ich froh, dass ich ganz spontan heute mitgefahren bin“, sagt sie. Sie lobt wie die anderen Teilnehmer die vielen guten Gespräche unterwegs und die besondere Gemeinschaft, die in der Radlergruppe entstanden ist.
Die Saerbecker Wallfahrer beten in Telgte gemeinsam den Kreuzweg, feiern den Pilgergottesdienst in der Propsteikirche und besuchen die Gnadenkapelle. Im Marien-Wallfahrtsort gut angekommen? „Ja, aber nur um wieder aufzubrechen“, lachen die Organisatorinnen vom Arbeitskreis „Glauben leben“ der Kolpingsfamilie. Am frühen Nachmittag geht’s zurück nach Saerbeck.
„Für mich ist bei der Radwallfahrt der Weg das Ziel“, resümiert eine Teilnehmerin in der Abschiedsrunde am Ortseingang Saerbeck. „Die Lieder, Texte und Gespräche haben mich echt bereichert. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei.“
Marlies Grüter, WN 18.7.23