Die Gedenkfeier zum Volkstrauertag fand wegen des schlechten Wetters in der Kirche statt. Auch der Gottesdienst war darauf ausgerichtet. Schon das Eingangslied griff die aktuelle Stimmungslage auf: „Ich steh vor dir mit leeren Händen…“
Die WN berichtete:
Pastoralreferentin Anja Daut zitierte angesichts möglicher Ratlosigkeit beim Eindruck von „Krieg und Gewalt überall“ Huub Oosterhuis: „Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.“ Der niederländische Jesuit, Dichter, Lied- und Gebetschöpfer meint das nicht als Makel, sondern als aufrichtige Haltung eines Menschen dieser Zeit. Und, wie Daut erklärte, auch als Einladung, eben nicht zu verzweifeln, sondern sich einzubringen, seine Talente einzusetzen.
Den Titel und Text des eingespielten Lieds „Krieger des Lichts“ der Band Silbermond verband sie mit dem „Ihr seid Kinder des Lichts“ aus den Paulus-Briefen. Krieger ohne Waffen, aber mit Herz, meinte Anja Daut, die auch in Saerbeck unterwegs seien etwa in der Flüchtlingshilfe, bei Aktionen wie kürzlich „Eine Million Sterne“ oder den mittlerweile 89 Friedensgebeten, wo es um Heimat geben, Licht sein und ausdauernd bleiben gehe – „um das Dunkle zu besiegen, braucht es uns alle“. Pfarrer Ramesh Chopparapu machte im Schlussgebet Mut zum Tun: „Herr, du hast uns ausgestattet mit allem, als Kinder und Krieger des Lichts.“ Der Gottesdienst endete mit einem jüdischen Friedensgebet.
„Der Volkstrauertag ist ein Aufruf an uns alle, Hass und Vorurteile zu überwinden, Brücken des Verständnisses zu bauen und sich für die Würde jedes Einzelnen einzusetzen.“ Aus dieser Interpretation des Gedenktags zog Bürgermeister Dr. Tobias Lehberg in seiner Rede eine konkrete Schlussfolgerung.
Sein Appell: „Jede und jeder einzelne von uns kann das ihr oder ihm Mögliche tun, um im Alltag ein Zeichen für Menschlichkeit zu setzen und gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus aufzustehen.“ Er sagte dies nach dem Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Georg, wo die Teilnehmenden wegen des Wetters am Samstagabend geblieben waren, statt zum Mahnmal am Friedhof zu ziehen. Lehberg verband in seiner Rede die Themen Ukraine, Israel, Judenhass und politischen Populismus und Extremismus mit der Frage nach Verantwortung und eigenem Tun.
Dabei betonte Tobias Lehberg das Vorwärtsgewandte des 1922 eingeführten Volkstrauertags, der sich zu einem Gedenktag für die Opfer beider Weltkriege und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sowie für alle Opfer von Krieg und Gewalt auf der ganzen Welt entwickelt hat. Auch mit Blick auf die Fahnenabordnungen etlicher Vereine und Verbände erklärte er, dass „wir als dörfliche Gemeinschaft heute hier stehen und zeigen, dass wir eingedenk unserer Vergangenheit und Gegenwart eine besondere Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen wollen“.
Dabei habe die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in diesem Jahr erneut erschreckende Aktualität. Im vergangenen Jahr habe die Gedenkansprache der Ukrainerin Lesya Zagorodniuk unmittelbar erfahren lassen, welche Folgen der Angriffskrieg der Russischen Föderation auf ihr Land für die Menschen hat. Angesichts dieses andauernden Kriegs „mahnt uns der heutige Tag, nicht gleichgültig zu werden und nicht abzustumpfen“. Zusätzlich habe der Terrorangriff der Hamas gegen Israel vor wenigen Wochen gezeigt, „wie zerbrechlich Frieden sein kann“. Während das Ausmaß von Gewalt, Sterben und Leiden so vieler unschuldiger Menschen erschrecke, verändere dieser Krieg „auch unser Leben in Deutschland“, wenn „offen zur Schau gestellter Judenhass in Deutschland wieder alltäglich geworden ist“.
Lehberg hob die vielen Stimmen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hervor. Der Kurzformel ihres Appells „Nie wieder ist jetzt“ fügte er ein „und hier bei uns in Saerbeck“ hinzu. Menschenverachtender Judenhass beginne beginne mit vermeintlichen Witzen und Redewendungen, aber auch mit Relativierungen und Verharmlosungen. „Wenn aber eine Terrororganisation ein ganzes Volk vernichten und auslöschen will, dann darf es kein ,Ja, aber…‘ geben.“ „Politischen Scharlatanen“, die mit „Rattenfänger-Tricks“ versuchen, einfache Antworten auf große Herausforderungen der Gesellschaft vorzugaukeln, erteilte Lehberg auch in der Kommune eine Absage.
Die beiden Stellvertretenden Bürgermeister Felix Wannigman und Monika Schmidt formulierten zum Gedenken die Bedeutungsbreite von Verfolgung, Ausgrenzung, Vertreibung, Angriff und Opfern auch in Deutschland aus und sagten: „Unsere Verantwortung gilt dem Frieden für die Menschen bei uns zuhause und in der ganzen Welt.“
Der Gedenkakt endete mit der National- und der Europa-Hymne, gespielt vom Kolping-Blasorchester. Anschließend legten Bürgermeister Lehberg und Udo Meiners als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr den Kranz am Mahnmal am Friedhof nieder.
Alfred Riese, WN 20.11.2023