Samuel Koch, Deutschlands bekanntester Rollstuhlfahrer, trat in Saerbeck in der fast voll besetzten Festhalle Hövel auf.
An den Unfall selbst erinnert er sich nicht mehr, damals am 4. Dezember 2010 bei „Wetten dass . .?“. Wohl aber ans Aufwachen auf der Intensivstation, den Dämmerzustand, düster wie in einem Science-Fiction-Film, eingespannt in eine Art Schraubstock, gesichtslose Gestalten mit Masken, die sich an seinem gefühllosen Körper zu schaffen machten.
„Als ich den zu ersten Mal im Spiegel sah, diese wie nutzlos aufeinandergestapelten Knochen und dieses schlaffe, leblose Fleisch – da schienen alle meine Träume mit einem Mal zerplatzt.“ Dass und wie er trotz allem wieder ins Leben, in sein Leben, gefunden hat, dass er trotz allem ein positiv denkender, Mut machender, ja sehr humoriger Mensch geworden ist, davon erzählte Samuel Koch , Deutschlands bekanntester Rollstuhlfahrer, in der fast voll besetzten Hövelschen Festhalle, in die der Kreis Kunst-Kultur-Kirche der St. Georg-Pfarrei eingeladen hatte. Und wieder einmal für einen Abend sorgte, der den Zuhörern noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird.
Nur einmal sehen sie ihn an diesem Abend im Rollstuhl, danach sitzt der 31-jährige Schauspieler scheinbar locker und entspannt in einem bequemen Sessel, das linke übers rechte Bein geschlagen, lässt sich von Miriam Töne (die zwischendurch mit Keyboard-Partner Albrecht von Lichtenfeld für musikalische Intermezzi sorgt) sein Buch halten, aus dem er etliche Passagen vorliest: „Rolle vorwärts“ heißt es beinahe trotzig und erzählt von Samuel Kochs Leben, Lieben, Glauben und Träumen und davon, dass er sich nicht damit beschäftigt, was seit dem Unfall nicht mehr geht, sondern damit, was noch geht. Und das ist mitunter abenteuerlich: wie eine Fahrt in einem haarsträubenden Kirmeskarussell, einer für nicht möglich gehaltenen Wüstentour in Ägypten oder jener tragikomischen Nacht in einem Maisfeld, in der er, weil seine Bauchmuskeln verkrampften, aus dem Rollstuhl rutschte und in eine groteske Situation geriet, bei der andere wohl geheult und gewettert hätten, Samuel Koch aber lächeln und lachen musste und eine wunderbar milde Sternennacht erleben durfte, bevor ich nach einigen Stunden gerettet wurde“. „Aber damals“, sagte er, „habe ich Gott schon gefragt, was willst du mir jetzt wieder damit zeigen?“
Was Samuel Koch über sein Leben erzählt, schildert er am liebsten in solchen Anekdoten, erzählt von seinem früheren Leben als Turner und Akrobat, von Omas barschen Zurechtweisungen („Stell dich nicht so an!“), von der Lust am Leben auf dem Trampolin und der wunderbaren Liebe, die sein Vater ihm gab: „So wie er, habe ich immer gedacht, so ist Gott – er liebt mich trotz der Fünf in Englisch, einfach nur, weil ich bin. Und deshalb heißt es im Englischen ja auch „human being“ und nicht „human doing“.
„ Wenn man das Wozu im Leben gefunden hat“, sagte Samuel Koche neulich in einem Interview, „kommt man auch mit dem Wie zurecht.“ Und wenn er Wörter sagt wie Sanftmut, Disziplin und Langmut, dann wundert man sich nicht, dass er auch fragt, was nach dem Erdenleben ist: „Ich hoffe ja, das Beste kommt noch, aber bis dahin werde ich wach, neugierig und abenteuerlustig weiterrollen und den Menschen schon hier ein Stück vom Himmel zeigen.“
Hans Lüttmann, WN